Liebe Leserinnen und Leser,
„Messerangriffe„ im Sinne der Erfassung von Straftaten in der Polizeilichen Kriminalstatistik sind solche Tathandlungen, bei denen der Angriff mit einem Messer unmittelbar gegen eine Person angedroht oder ausgeführt wird. Das bloße Mitführen eines Messers reicht hingegen für eine Erfassung als Messerangriff nicht aus.
Zu beachten ist allerdings, dass das Bundeskriminalamt Messerangriffe erst seit 2021 erfasst. Ein bundesweit einheitliches Lagebild soll erstmals für 2024 erstellt werden. „Verlässliche, also seit Jahren erhobene Zahlen, gibt es bislang nur aus einzelnen Bundesländern“, sagt der Journalismus-Professor Thomas Hestermann, der an der Hamburger Hochschule Macromedia zur Darstellung von Kriminalität forscht.
Der Innenminister von Nordrhein-Westfalen, Herbert Reul, führte dazu aus: „Erst der Mensch, der es in der Hand hat, macht aus dem Messer eine Waffe. Wir müssen mehr über Täter, Taten und Opfer erfahren, wenn wir diese schrecklichen Messerangriffe verhindern wollen. Die Auswertung sagt uns, dass Messergewalt jung und männlich ist. Mich sorgt, dass - gemessen am Ausländeranteil in der Bevölkerung - Tatverdächtige ohne deutsche Staatsangehörigkeit überproportional vertreten sind. Sich zu bewaffnen, hat sicher auch etwas mit Männlichkeitsgehabe zu tun. Mit dem Messer mag sich ein mancher stärker und unbesiegbarer in der dunklen Nacht fühlen. Dieses mittelalterliche Bild von Männlichkeit tut unserer Gesellschaft nicht gut.„
Absolut ist die Zahl der „Messerangriffe“ 2022 auf 2023 gestiegen: um 9,7 Prozent in der Kategorie „gefährliche und schwere Körperverletzungen“ und um 16,6 Prozent bei Raubdelikten. Allerdings ist auch die Zahl der Körperverletzungen und Raubdelikte insgesamt gestiegen (plus 6,8 Prozent und plus 17,4 Prozent). Schaut man sich die beiden Anstiege im Verhältnis an – also, wie sich der Anteil der „Messerangriffe“ innerhalb des jeweiligen Straftatbereichs verändert hat – ergibt sich folgendes Bild: Bei Körperverletzungen stieg der Anteil 2023 im Vergleich zum Vorjahr um 0,2 Prozentpunkte, bei Raubdelikten gab es einen leichten Rückgang um 0,1 Prozentpunkte.
Laut Bundeskriminalamt könnten die steigenden Fallzahlen bei Körperverletzung und Raubdelikten eine Folge der weggefallenen Corona-Beschränkungen sein, wodurch es wieder mehr Tatgelegenheiten gegeben habe. Als weitere Faktoren nennt das BKA die inflationsbedingt angespanntere wirtschaftliche Lage, sowie das Migrationsgeschehen.
Die Daten der polizeilichen Kriminalstatistiken der Bundesländer bestätigen die Tendenz. In fast allen Bundesländern (mit Ausnahme des Saarlands) gab es 2023 mehr „Messerangriffe„ als im Vorjahr. Im Durchschnitt nahm die Fallzahl um rund 15 Prozent zu. In allen Bundesländern stieg die Zahl der „Messerangriffe„ parallel zur Zahl der Körperverletzungen und anderer Rohheitsdelikte.
Die Tatverdächtigen sind in der Regel Männer (in knapp 90 Prozent der Fälle) und überwiegend Erwachsene über 21 Jahre.
„Messerkriminalität“ ist kein einheitliches Phänomen
Unter „Messerkriminalität“ fallen unterschiedliche Konstellationen, etwa Situationen, in denen gezielt ein Messer mitgeführt wird, um ein bestimmtes Delikt zu begehen: zum Beispiel einen Raub, eine Nötigung oder eine Körperverletzung im häuslichen Bereich
Psychische Ausnahmesituationen: wenn etwa eine psychisch kranke Person auf eine oder mehrere Personen einsticht
Situationen, in denen Personen zwar ein Messer dabeihaben, der Einsatz des Messers aber nicht konkret geplant ist. Im Falle eines Konflikts oder einer Eskalation kommt es dann schneller zum Einsatz eines Messers, da es gerade verfügbar ist.
Der Kriminologe Prof. Dr. Stefan Kersting forscht seit vielen Jahren zu Kriminalität mit einem Schwerpunkt auf Messerkriminalität. Nach seiner Einschätzung macht die letzte Konstellation den größten Teil der sogenannten Messerkriminalität aus. Er vermutet als weiteren Grund, dass Jugendliche immer schlechter darin seien, Konflikte gewaltfrei zu lösen. Außerdem gebe es eine Dynamik, die in anderen Ländern wie England schon vor einigen Jahren beobachtet werden konnte: „Je mehr Leute um einen herum bewaffnet sind, desto eher bewaffnet man sich auch selbst„, so Kersting.
Ist unsere Öffentliche Sicherheit in Gefahr? Diese Frage wird politisch und medial kontrovers beantwortet. Dieser Beitrag beantwortet diese Leitfrage aus der Perspektive der Denkschule des sicherheitspolitischen Realismus. Die seit Monaten und Jahren täglichen Fälle von Messerkriminalität, Gruppenvergewaltigungen, Überfälle sowie die zahlreichen Fälle von extremistischer Gewalt in Deutschland (zuletzt der islamistische Messer-Anschlag in Solingen, davor der islamistische Anschlag in Mannheim, bei dem der Polizeibeamte Rouven L. getötet wurde) sollten dazu führen, dass wir mit der Brille des sicherheitspolitischen Realismus auf die Realität, auf die Fakten, auf die Zahlen schauen, und dies nicht idealistisch bzw. teilweise gar utopisch tun, wie es manche Politikerinnen und Politiker sowie Medien leider immer noch machen. Prof. Dr. Goertz geht in seinem Beitrag auf Seite 6 der Frage nach, ob durch die zunehmende Zahl von Messerangriffen unsere öffentliche Sicherheit in Gefahr ist.
Lachgas hat sich zur Partydroge entwickelt - und wird aus Sicht der Landesregierung häufig unterschätzt. Die CDU-Fraktion spricht sich für ein Verkaufsverbot aus. Es ist ein tragischer Fall: Ein 13-Jähriger konsumiert gemeinsam mit zwei älteren Freunden auf dem Balkon eines Hochhauses in Karlsruhe die Partydroge Lachgas und wirft die Kartusche über die Brüstung. Das Metallteil trifft eine 75-Jährige am Kopf, sie stirbt noch vor Ort an ihren Verletzungen. Der Vorfall in Karlsruhe ist ein Extremfall, aber nicht der einzige, bei dem Lachgas im Spiel ist. In München konsumiert ein 16-jähriger Lachgas und stürzt von einem Bahnsteig ins Gleis, in Berlin setzt sich ein 20-Jähriger unter dem Einfluss der Droge ans Steuer und verliert die Kontrolle über seinen Wagen. David Nau und Ira Schaible beleuchten auf Seite 18 die politische Diskussion um ein Verbot des Lachgases.
Die Messerattacke auf einen Mannheimer Polizisten rückt die wachsende Gewalt gegen Beamte ins Bewusstsein. Eine Polizistin hat das am eignen Leib zu spüren bekommen. Seit Jahren kämpft sie mit Folgen. Ein Gedenkort, der bei Polizistin Yvonne Gasser auf dem Weg zum Arbeitsplatz schlimme Erinnerungen wachruft. Die Oberkommissarin ist auch ein Opfer von Gewalt gegen Polizisten. Welche Folgen diese Gewalttat für die Beamtin hatte und welche neuen Wege in der Taumatherapie für Polizisten das Land Baden-Württemberg geht, schildert Julia Giertz auf Seite 20.
Erst Kiffen, dann hinters Lenkrad? Dafür greifen nach einer bisher sehr rigiden Rechtslage nun neue Vorgaben. Wird man erwischt, kann es aber teuer werden. Die neuen gesetzlichen Vorgaben werden von Sachsa Meyer auf Seite 24 vorgestellt.
Wir wünschen Ihnen viel Spaß, informative Unterhaltung und Vergnügen beim Lesen, bei Bedarf können wir Ihnen weitere Exemplare dieser Ausgabe zur Verfügung stellen. Teilen Sie bitte dem Verlag die Anzahl der noch benötigten Hefte mit. Über Meinungsäußerungen und Leserbriefe würden wir uns sehr freuen.
Ihr Redaktionsteam
Behördenmagazin 3-24 [13.319 KB]