Liebe Leserinnen und Leser,
Jede Woche werden etwa drei Frauen in Deutschland von ihrem aktuellen oder früheren Partner getötet, im Jahr 2022 waren es 133. Das bedeutet an fast jedem dritten Tag. Mehr als ein Mal pro Stunde wird in Deutschland eine Frau durch ihren Partner gefährlich körperlich verletzt.
Weltweit ist die Tötung von Frauen aufgrund ihres Geschlechts ein schwerwiegendes Problem. Im Jahr 2017 wurden weltweit mehr als 50.000 Frauen und Mädchen durch (Ex-)Partner oder von einem anderen Familienmitglied getötet. Deutschland liegt, was die Zahl getöteter Frauen angeht, im europäischen Vergleich im Mittelfeld – hier sterben z.B. mehr Frauen als in Frankreich, Finnland oder den Niederlanden.
In Deutschland ist das Motiv von Femiziden in der Regel eine Trennungsabsicht der Frau oder eine bereits erfolgte Trennung. Oft wird auch von Trennungstötungen gesprochen. Den Tötungen gehen in sehr vielen Fällen häusliche Gewalt oder Stalking und eine Beziehung voraus, die geprägt ist von Kontrolle, starker Eifersucht, psychischer Gewalt oder einer starken Isolierung. Eine aktuelle Studie der Kriminologin Monckton-Smith von der University of Gloucestershire (Großbritannien), in der über 300 Tötungen von Frauen untersucht wurden, bestätigt das. Auch in Deutschland waren 60% der Täter, die ihre (Ex-)Partnerin umgebracht haben, vorher polizeilich auffällig.
Meist handelt es sich bei häuslicher Gewalt um einen schleichend beginnenden Prozess. Um zu erkennen, ob ein Gewaltpotenzial in der Partnerschaft vorhanden ist, kann es sehr wichtig sein, Warnsignale wahrzunehmen. Warnsignale können sein, wenn der Partner übertrieben eifersüchtig ist und/oder beginnt, die sozialen Kontakte zu kontrollieren.
Handlungen häuslicher Gewalt können z.B. Drohungen, Erniedrigungen, soziale Kontrolle und Isolation, Schläge und Tritte oder das Erzwingen sexueller Handlungen sein. Häusliche Gewalt wird meistens wiederholt angewandt. Sie kann über Jahre hinweg anhalten. Die Häufigkeit und die Intensität der Gewalthandlungen können im Verlauf der Zeit eskalieren.
Sehr gefährlich sind für Frauen Situationen angekündigter oder vollzogener Trennungen oder Scheidungen - dann eskaliert die Gewalt oft. Das Wissen darum macht es gewaltbetroffenen Frauen oft noch schwerer, den Schritt der Trennung zu gehen. Hinzu kommen sehr oft weitere Gründe, die eine Trennung erschweren, wie beispielsweise finanzielle Abhängigkeiten oder gemeinsame Kinder.
Die Ursachen für Tötungen von Frauen sind nicht, wie medial oft dargestellt, ein vermeintlicher Migrationshintergrund oder eine psychische Störung des Täters, sondern vielmehr gesellschaftlich tief geprägte patriarchale Muster und eine mangelnde Gleichstellung von Frauen.
Was in der Beziehung vor der Tötung der Frau geschehen ist, wird zwar thematisiert. Einige Aspekte können aber stärker betont werden, andere dagegen in den Hintergrund treten: Immer wieder geht es bei Tötungsdelikten an der (ehemaligen) Partnerin um die Aufrechterhaltung von Macht und Kontrolle des Täters gegenüber der Frau. Täter kontrollieren, mit wem die Frau wie lange Zeit verbringt und wo sie hingeht. Der Chatverlauf im Handy der Frau wird gelesen, ihre Telefonate nachvollzogen, die Frau in jeder Einzelheit ihres Lebens misstrauisch beäugt. Sie wird kleingemacht, ihr Selbstvertrauen untergraben. „Ohne mich bist du nichts„, versucht der Mann ihr einzureden. Hinweise auf diese Formen der psychischen Gewalt und/oder kontrollierenden Verhaltensweisen finden sich oft nur am Rande erwähnt. Trennt sich die Frau von ihrem Partner oder plant, sich von ihm zu lösen, droht ihm die Kontrolle zu entgleiten. Die Folge: Er steigert die Gewalt, schlimmstenfalls bis hin zur Tötung, um Macht und Kontrolle zurückzugewinnen.
Der intime Femizid bezieht sich auf die Tötung einer Frau durch aktuelle oder frühere Intimpartner wie Ehemann, Lebensgefährte, Freund oder Sexualpartner. Eine Vielzahl von Studien hat gezeigt, dass Frauen generell ein deutlich höheres Risiko tragen, durch einen Intimpartner getötet zu werden, als Männer. Laut Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) lag 2017 weltweit der Anteil der weiblichen Mordopfer bei 19 %, bei Morden durch Intimpartner oder Familie bei 64 % und bei Morden durch Intimpartner bei 82 %. Dazu kommt noch, dass viele Frauen, die ihren Intimpartner töten, aus Notwehr handeln, nachdem sie in der Beziehung fortwährend Gewalt und Einschüchterung erlebt haben.
Die weithin akzeptierten geschlechtsspezifischen Normen über männliche Autorität in der Gesellschaft im Allgemeinen gelten als Ursache für die weit verbreitete Gewalt von Intimpartnern gegen Frauen und Mädchen. Lange war gesellschaftlich akzeptiert, dass Männer Gewalt ausüben, um ihre Autorität im häuslichen Umfeld durchzusetzen und ihre weiblichen Familienangehörigen zu kontrollieren. Oftmals ist dies heute noch der Fall. Wie Untersuchungen gezeigt haben, neigen insbesondere Männer und Jungen häufiger zu Gewalt gegen ihre Partnerinnen, die eine bestimmte Auffassung von Geschlechterrollen und Männlichkeit haben. Ein Beispiel für solche Auffassungen ist die Ansicht, dass Männer Frauen dominieren sollen. Männer sind zudem häufiger gewalttätig, wenn sie einen niedrigen Bildungsstand haben und selbst als Kind sexuellen Missbrauch und häusliche Gewalt gegen ihre Mütter erlebt haben oder im schädlichen Ausm aß Alkohol konsumieren.
Das Bundeskriminalamt hat im Juni 2024 das Lagebild „Häusliche Gewalt„ veröffentlicht. Prof. Dr. Goertz erläutert in seinem Beitrag auf Seite 6 die Zahlen zur häuslichen Gewalt und die Begriffe „Misogynie„ und „Femizide„. Weiterhin wird anhand eines aktuellen Jahresberichts dargestellt, wie deutsche Rechtsextremisten nach Angaben des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) „in den letzten Jahren immer offener und aggressiver gegen die Liberalisierung des öffentlichen Diskurses hinsichtlich unterschiedlicher sexueller Orientierungen sowie gleichgeschlechtlicher Partnerschafts- und Familienmodelle agieren.
Mehr als 150 Menschen sind im vergangenen Jahr im Südwesten ums Leben gekommen, weil sie oder andere zu schnell unterwegs waren. Jahr für Jahr soll ein «Blitzermarathon» sensibilisieren. Was bringt’s? Welche Kritik und Zweifel an diesem Einsatz geäußert werden, stellt Martin Oversohl in seinem Beitrag auf Seite 22 vor.
Die Jagd nach dem Kaufhaus-Erpresser «Dagobert» gehört zu den spektakulärsten Kriminalgeschichten. Mit seinen ausgeklügelten Tricks narrte er die Polizei. Heute gibt es freundschaftliche Kontakte. Marion van der Kraats berichtet über die Ermittlungen und die Festnahme vor 30 Jahren in ihrem Beitrag auf Seite 24.
Ohne Insider bekommen Drogenkartelle ihr Kokain nicht aus dem Hafen. Oft sind das Hafenbeschäftigte. An sie wenden sich nun Polizei, Zoll und Hafenwirtschaft mit einer Präventionskampagne. Das Ziel dieser Aktion stellt Markus Klemm auf Seite 27 vor.
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